Anfang der 60er war der Donnerstag mit der wichtigste Tag in der Woche:
Abends um acht sendete der Hessische Rundfunk die Frankfurter Schlagerbörse mit
Hanns Verres. Die hörten wir fast alle. Freitags gab es in den Schulpausen die
Diskussionen zu den Ergebnissen und die Neuvorstellungen vom vergangenen Abend.
Die Schlagerbörse war für die damalige Zeit die tollste Hitparade und oft gingen
pro Sendung zigtausend Einsendungen ein.
Durch meinen Schulkameraden Werner Petri wurde bei mir das Interesse für die
aus England kommende Musik geweckt. Er wusste sehr gut Bescheid und war immer
auf dem neuesten Stand. Er sang zum Teil die Lieder mit, gut kann ich mich noch an
„Pretty Woman“ von Roy Orbison erinnern. Das brachte ihm für kurze Zeit den
Namen „Mr. Pretty Woman“ ein. Danach kam er dann mit einem deutschen Titel an
und zwar “Das kannst du mir nicht verbieten“ von Bernd Spier. Das brachte ihm
bei mir ein paar Minuspunkte ein aber dass er mit seinem Freund Klaus
Henninger damals mit dem Fahrrad bis nach Hamburg zum "Star Club" gefahren war,
das machte ihn schon wieder richtig sympathisch und für mich war das ein Grund
mehr ihm nachzueifern. Auch ich wollte mich in der Musikszene umsehen. In
„Golle“ gab es im Sportsaal beim „Boss“ samstags und sonntags regelmäßig
Musikveranstaltungen. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Allerdings war
der Samstag gestrichen. Mit 13 oder 14 abends wegzugehen, das war undenkbar.
Also blieb nur der Sonntag.
Mit 14 war ich dann zum ersten Mal im Sportsaal bei einem Beatkonzert. Irgendwann
im Frühjahr 1964. Wer genau gespielt weiß ich nicht mehr. Aber ich kann mich
noch ganz genau daran erinnern, dass irgendwann Polizisten durch die
Eingangstür der Ludwigstraße in den Sportsaal kamen. Wir, mit 14 waren viel zu
jung, wir durften in diesem Alter noch gar nicht zu einer Musikveranstaltung
dieser Art gehen. Also habe ich mit einigen anderen Jugendlichen das Weite
gesucht. Es blieb uns nichts anderes übrig, als durch ein Fenster in Richtung
Ludwigstraße zu flüchten. Draußen standen wir dann und harrten der Dinge, die
da passierten. Passiert ist nichts und irgendwann waren die Polizisten
verschwunden und wir wieder bei der Musikveranstaltung im Sportsaal.
Das nächste große Ereignis war die Eröffnung des „Beat-Club 65“ in
Goddelau. Beat-Club 65 das hörte sich schon nach etwas anderem an als
Sportsaal. Jetzt war richtig was los in „Golle“. Jeden Samstag und Sonntag
Beatmusik. Die Gruppen spielten die neuesten Hits der britischen und deutschen
Hitparade. Da wurde „gezawellt“. Man hörte auch von den Älteren die Bemerkung:
„Na, gehst du wieder zum Zawellerball?“ Das war egal, hier im Beat-Club 65 war
was los. Und jetzt 1965 ging ich auch schon samstags zum Beat-Club. Um 22:00
Uhr hieß es dann: „Jugendliche unter 16 Jahren müssen nun den Club verlassen!“ Aber der Club wurde nicht leerer. Wir blieben alle, keiner wollte nach Hause.
Wir trauten uns schon mehr als ein Jahr zuvor. Soweit ich mich entsinnen kann,
kam auch nie wieder eine Polizeistreife zur Kontrolle. Jetzt hatten wir
Livemusik bis zum Anschlag. Für uns gut, aber für die Nachbarn nicht gerade
erfreulich. Das war uns aber egal. Wir konnten uns so richtig austoben.
Ein Höhepunkt im Beat-Club 65 war die Monstershow am 11.09.1965 mit Auftritten
der Gruppen:
·
Die Mozarts
·
Die Hexer
und als Höhepunkt des abends
·
The Shamrocks.
Dieser Abend ist mir auch noch gut in Erinnerung. Alle Musiker der
Shamrocks hatten im Verhältnis zu unserer kurzen Haarpracht sehr lange Haare
und das war faszinierend und exotisch für uns. Wir mit unseren etwas längeren
aber trotzdem kurz geschorenen Köpfen konnten da nicht mithalten. Die Shamrocks
brachten für meine damaligen Begriffe eine riesige Show auf die Bühne. Der
Sänger war fast nicht zu bändigen. Er sprang fast die ganze Zeit auf der Bühne
herum. Nach dem Konzert gaben die Musiker noch eine Autogrammstunde und
verkauften ihre LP im Sportsaal.
Übernachtet hatten die Musiker in der damaligen „Riedschänke“. Der
Gastwirt (Kurt Buchholz) war aber nicht sehr angetan von den Herren. Er äußerte
sich in dem Sinn: „dass er nur einmal eine solche Gruppe zur Übernachtung in
seinen Zimmern hatte, ein zweites Mal wird das nicht mehr vorkommen“.
Ein weiteres großes Ereignis war für uns die Erstsendung des "Beat-Clubs" von Radio Bremen am 25.09.1965, für die Moderation waren Uschi Nerke und Gerd
Augustin verantwortlich. Mit dabei waren „The Yankees“, „The Liverbirds“ (eine
weibliche Band aus Liverpool) und „John O’Hara & His Playboys“. Von da an
war der Beat-Club von Radio Bremen immer ein Thema in unserem Beat-Club 65.
Denn diese Sendung war, mehr oder weniger, die deutsche Ausgabe der britischen
Beatsendung „Ready, Steady, Go“.
Später kam „Beat, Beat, Beat“ (Moderator u. a. Charlie Hickman) von HR 3 ins
Fernsehen. Die Sendung wurde in Offenbach in der Stadthalle produziert. U. a.
traten „The Kinks“, „The Searchers“, „Cat Stevens“, „The Spencer Davis Group“,
„Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick and Tich“ und viele andere auf.
Eine weitere Musikfernsehsendung kam hinzu und zwar "4-3-2-1 Hot and Sweet" (daraus wurde, so glaube ich, die Sendung „DISCO“ mit Ilja Richter).
Auch im Radio wurde kräftig mitgemischt in der Beat-Szene:
·
HR 3 hatte "Teens, Twens, Top Time" auch als T4
bekannt (Charlie Hickman)
·
SWR 3 "Pop Shop" (Frank Laufenberg)
Wir konnten also vielfach unseren Bedarf an Beatmusik decken:
Später, fast zum Ende des „Beat-Clubs“ (der hatte inzwischen 1967 seinen
Namen in „Dandy Saloon“ geändert) traten weitere bekannte Bands im Dandy Saloon
auf, u.a. „Adam und Eve“, „Casey Jones and The Governors“ und 1969, vor dem
Ende des Klubs, die damals noch unbekannte Band „The Yes“.
Was man noch so benötigte, um zu den "Beatnicks" etc. zu gehören, das war
die entsprechende Kleidung. Durch Modenschauen des Geschäftes „Hosen Röth“ aus
Darmstadt, während der Pausen eines Konzerts, wurde uns gezeigt, was so Mode
ist. Und jeder der was auf sich hielt, wollte bei „Hosen Röth“ einkaufen. Ich
kaufte mir damals eine Hose mit der Naht nicht an der Seite, sondern mit der
Naht vorne und hinten. Über den Stiefeln (wir hatten natürlich die „Beatles
Stiefel“ an) war die Naht vorne etwas aufgetrennt, so dass die Hose seitlich an
der Innen- und Außenseite der Stiefel herab hing. Weiterhin gehörte zu meiner
Garderobe noch ein doppelreihiger Blazer in schwarz (und das mitten im Sommer
bei guten Temperaturen, aber man musste auch ein wenig leiden, wenn man „up to
date“ sein wollte).
Um weitere Informationen zur Beat-Szene zu bekommen, kaufte ich mir die
BRAVO, als die Beatles in der BRAVO als Starschnitt erschienen. Zunächst
hauptsächlich wegen der Hitparadenergebnisse und der vielen Berichte über neue Bands
und deren Schallplatten. In der BRAVO gab es aber noch etwas, was mich sehr
interessierte. Da fing Bravo an, Woche für Woche, auf zwei Seiten etwas zur Aufklärung
beizutragen. Nein, nicht so wie heute, wo alles möglichst detailliert und ganz
genau in Wort und Bild beschrieben wird. Nein, damals war das ganz anders, man
brauchte schon sehr viel Fantasie, um zu erahnen, von was da die Rede war.
Und so endeten die 60er und die Teenager-Zeit und es kamen die 70er mit
Disco-Beats.
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