Aktuelle Podcast Episode

"Kultur beginnt im Herzen jedes Einzelnen"

- Johann Nepomuk Nestroy -

Sonntag, 8. März 2020

Beat - Club 65

Erinnerungen von Bernd Metzger zur Musik der 60er Jahre und den " Beat - Club 65 " in Goddelau

Anfang der 60er war der Donnerstag mit der wichtigste Tag in der Woche: Abends um acht sendete der Hessische Rundfunk die Frankfurter Schlagerbörse mit Hanns Verres. Die hörten wir fast alle. Freitags gab es in den Schulpausen die Diskussionen zu den Ergebnissen und die Neuvorstellungen vom vergangenen Abend. Die Schlagerbörse war für die damalige Zeit die tollste Hitparade und oft gingen pro Sendung zigtausend Einsendungen ein.
Durch meinen Schulkameraden Werner Petri wurde bei mir das Interesse für die aus England kommende Musik geweckt. Er wusste sehr gut Bescheid und war immer auf dem neuesten Stand. Er sang zum Teil die Lieder mit, gut kann ich mich noch an „Pretty Woman“ von Roy Orbison erinnern. Das brachte ihm für kurze Zeit den Namen „Mr. Pretty Woman“ ein. Danach kam er dann mit einem deutschen Titel an und zwar “Das kannst du mir nicht verbieten“ von Bernd Spier. Das brachte ihm bei mir ein paar Minuspunkte ein aber dass er mit seinem Freund Klaus Henninger damals mit dem Fahrrad bis nach Hamburg zum "Star Club" gefahren war, das machte ihn schon wieder richtig sympathisch und für mich war das ein Grund mehr ihm nachzueifern. Auch ich wollte mich in der Musikszene umsehen. In „Golle“ gab es im Sportsaal beim „Boss“ samstags und sonntags regelmäßig Musikveranstaltungen. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Allerdings war der Samstag gestrichen. Mit 13 oder 14 abends wegzugehen, das war undenkbar. Also blieb nur der Sonntag.
Mit 14 war ich dann zum ersten Mal im Sportsaal bei einem Beatkonzert. Irgendwann im Frühjahr 1964. Wer genau gespielt weiß ich nicht mehr. Aber ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, dass irgendwann Polizisten durch die Eingangstür der Ludwigstraße in den Sportsaal kamen. Wir, mit 14 waren viel zu jung, wir durften in diesem Alter noch gar nicht zu einer Musikveranstaltung dieser Art gehen. Also habe ich mit einigen anderen Jugendlichen das Weite gesucht. Es blieb uns nichts anderes übrig, als durch ein Fenster in Richtung Ludwigstraße zu flüchten. Draußen standen wir dann und harrten der Dinge, die da passierten. Passiert ist nichts und irgendwann waren die Polizisten verschwunden und wir wieder bei der Musikveranstaltung im Sportsaal.
Das nächste große Ereignis war die Eröffnung des „Beat-Club 65“ in Goddelau. Beat-Club 65 das hörte sich schon nach etwas anderem an als Sportsaal. Jetzt war richtig was los in „Golle“. Jeden Samstag und Sonntag Beatmusik. Die Gruppen spielten die neuesten Hits der britischen und deutschen Hitparade. Da wurde „gezawellt“. Man hörte auch von den Älteren die Bemerkung: „Na, gehst du wieder zum Zawellerball?“ Das war egal, hier im Beat-Club 65 war was los. Und jetzt 1965 ging ich auch schon samstags zum Beat-Club. Um 22:00 Uhr hieß es dann: „Jugendliche unter 16 Jahren müssen nun den Club verlassen!“ Aber der Club wurde nicht leerer. Wir blieben alle, keiner wollte nach Hause. Wir trauten uns schon mehr als ein Jahr zuvor. Soweit ich mich entsinnen kann, kam auch nie wieder eine Polizeistreife zur Kontrolle. Jetzt hatten wir Livemusik bis zum Anschlag. Für uns gut, aber für die Nachbarn nicht gerade erfreulich. Das war uns aber egal. Wir konnten uns so richtig austoben.
Ein Höhepunkt im Beat-Club 65 war die Monstershow am 11.09.1965 mit Auftritten der Gruppen:

·         Die Mozarts
·         Die Hexer

und als Höhepunkt des abends

·         The Shamrocks.

Dieser Abend ist mir auch noch gut in Erinnerung. Alle Musiker der Shamrocks hatten im Verhältnis zu unserer kurzen Haarpracht sehr lange Haare und das war faszinierend und exotisch für uns. Wir mit unseren etwas längeren aber trotzdem kurz geschorenen Köpfen konnten da nicht mithalten. Die Shamrocks brachten für meine damaligen Begriffe eine riesige Show auf die Bühne. Der Sänger war fast nicht zu bändigen. Er sprang fast die ganze Zeit auf der Bühne herum. Nach dem Konzert gaben die Musiker noch eine Autogrammstunde und verkauften ihre LP im Sportsaal.
Übernachtet hatten die Musiker in der damaligen „Riedschänke“. Der Gastwirt (Kurt Buchholz) war aber nicht sehr angetan von den Herren. Er äußerte sich in dem Sinn: „dass er nur einmal eine solche Gruppe zur Übernachtung in seinen Zimmern hatte, ein zweites Mal wird das nicht mehr vorkommen“.
Ein weiteres großes Ereignis war für uns die Erstsendung des "Beat-Clubs" von Radio Bremen am 25.09.1965, für die Moderation waren Uschi Nerke und Gerd Augustin verantwortlich. Mit dabei waren „The Yankees“, „The Liverbirds“ (eine weibliche Band aus Liverpool) und „John O’Hara & His Playboys“. Von da an war der Beat-Club von Radio Bremen immer ein Thema in unserem Beat-Club 65. Denn diese Sendung war, mehr oder weniger, die deutsche Ausgabe der britischen Beatsendung „Ready, Steady, Go“.
Später kam „Beat, Beat, Beat“ (Moderator u. a. Charlie Hickman) von HR 3 ins Fernsehen. Die Sendung wurde in Offenbach in der Stadthalle produziert. U. a. traten „The Kinks“, „The Searchers“, „Cat Stevens“, „The Spencer Davis Group“, „Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick and Tich“ und viele andere auf.
Eine weitere Musikfernsehsendung kam hinzu und zwar "4-3-2-1 Hot and Sweet" (daraus wurde, so glaube ich, die Sendung „DISCO“ mit Ilja Richter).
Auch im Radio wurde kräftig mitgemischt in der Beat-Szene:

·         HR 3 hatte "Teens, Twens, Top Time" auch als T4 bekannt (Charlie Hickman)
·         SWR 3 "Pop Shop" (Frank Laufenberg)

Wir konnten also vielfach unseren Bedarf an Beatmusik decken:
Später, fast zum Ende des „Beat-Clubs“ (der hatte inzwischen 1967 seinen Namen in „Dandy Saloon“ geändert) traten weitere bekannte Bands im Dandy Saloon auf, u.a. „Adam und Eve“, „Casey Jones and The Governors“ und 1969, vor dem Ende des Klubs, die damals noch unbekannte Band „The Yes“.
Was man noch so benötigte, um zu den "Beatnicks" etc. zu gehören, das war die entsprechende Kleidung. Durch Modenschauen des Geschäftes „Hosen Röth“ aus Darmstadt, während der Pausen eines Konzerts, wurde uns gezeigt, was so Mode ist. Und jeder der was auf sich hielt, wollte bei „Hosen Röth“ einkaufen. Ich kaufte mir damals eine Hose mit der Naht nicht an der Seite, sondern mit der Naht vorne und hinten. Über den Stiefeln (wir hatten natürlich die „Beatles Stiefel“ an) war die Naht vorne etwas aufgetrennt, so dass die Hose seitlich an der Innen- und Außenseite der Stiefel herab hing. Weiterhin gehörte zu meiner Garderobe noch ein doppelreihiger Blazer in schwarz (und das mitten im Sommer bei guten Temperaturen, aber man musste auch ein wenig leiden, wenn man „up to date“ sein wollte).
Um weitere Informationen zur Beat-Szene zu bekommen, kaufte ich mir die BRAVO, als die Beatles in der BRAVO als Starschnitt erschienen. Zunächst hauptsächlich wegen der Hitparadenergebnisse und der vielen Berichte über neue Bands und deren Schallplatten. In der BRAVO gab es aber noch etwas, was mich sehr interessierte. Da fing Bravo an, Woche für Woche, auf zwei Seiten etwas zur Aufklärung beizutragen. Nein, nicht so wie heute, wo alles möglichst detailliert und ganz genau in Wort und Bild beschrieben wird. Nein, damals war das ganz anders, man brauchte schon sehr viel Fantasie, um zu erahnen, von was da die Rede war.
Und so endeten die 60er und die Teenager-Zeit und es kamen die 70er mit Disco-Beats.


Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen