Buch-Kritik Maria Knissel " Letzte Meile ", Societäts Verlag
Dass es bei dem Ausdruck „letzte Meile“ um den letztmöglichen Kontakt in der Telekommunikation oder Stromversorgung geht, erfahren wir gleich zu Beginn des Romans. Und um dieses letzte Stück Kontakt, um Abschied, um die Möglichkeit der Verständigung und Verbindung geht es in diesem neuen Roman von Maria Knissel. Erzählt wird die Geschichte des Paares Samuel und Marlene, die ihre Tochter Teresa kurz vor ihrem 18. Geburtstag verloren haben. Beide müssen Wege finden, mit ihrem Schmerz und ihrer Trauer zu leben, Möglichkeiten, ihr Leben weiter zu gestalten, als Paar oder jeder für sich. Das Buch zieht einen gleich von der ersten Seite an in seinen Bann. Immer abwechselnd begleiten wir Samuel und Marlene in ihrer Lebenswelt, im Alltag, im Beruf, auf Reisen. Beide Personen sind derart plastisch und lebendig dargestellt, dass man die Geschichte am besten in einem Zug, ununterbrochen, durchlesen möchte, nicht gestört werden möchte bei der Lektüre. Der Roman hat eine ungeheure Bilderkraft, wie in einem 3-D-Kino meint man mitzuleben und sich mit den Personen im dreidimensionalen Raum zu bewegen. Kein Wort zu viel und kein Wort zu wenig. Maria Knissel beschreibt die jeweilige Verortung in feinen Details, den Gefühlszustand der Protagonisten, die Natur, die Farben, die Atmosphäre, die Gedanken. Man fühlt sich als Leser derart mit Marlene und Samuel verbunden, dass es einem den Atem nimmt. Und trotz des schweren Themas, der Verlust des eigenen Kindes, ist es kein Verlust- oder Trauerroman im herkömmlichen Sinne. Die Geschichte ist unglaublich lebendig, die beiden Eltern in ihrer Trauer auch. Sie bewegen sich an außergewöhnlichen und wechselnden Orten von großer Spannbreite. Das macht das Buch so besonders und faszinierend. Samuel ist Ornithologe und viel im Watt und in der Natur unterwegs. Es gibt wunderschöne Bildszenen, die ihn mit den Vögeln im Watt beschreiben. Marlene ist Windkraftingenieurin, - auch in ihre Welt tauchen wir ein. Und dann wandert sie als Mutter allein die Via Alpina über die Alpen, auf den Spuren des letzten Wunsches ihrer Tochter. So viele ungewöhnliche Schauplätze, die Maria Knissel minutiös recherchiert hat. „Letzte Meile“ ist wie ein großer 3-D-Kinofilm. Ein hervorragendes bildreiches psychologisch fein gezeichnetes Werk.
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