CD-Kritik Jazzed:Up " Möglichkeiten ", Stephan Völker
Vielleicht liegt es am Cover-Foto, dem Blick auf einen endlos erscheinenden Horizont zwischen der türkis schillernden Wasseroberfläche und dem wunderbar wolkenlosen Zartblau des Himmels? Wie sanftes Wellenplätschern, mit soviel Leichtigkeit und Unbeschwertheit, nehme ich die ersten Klavierklänge wahr, mit denen der Anfangstitel „After the Dream“ beginnt. Ich muss unweigerlich ans Verreisen denken, fühle mich plötzlich herausgerissen aus der Lethargie, die sich nach einem Jahr Pandemie in mir breit gemacht hat.„Möglichkeiten“. Kurz denke ich über den Albumtitel nach. Möglichkeiten der Corona-Tristesse aus Lockdown, tagesaktuellen Fallzahlen, Maskenpflicht und Homeoffice zu entfliehen. Einfach ins Flugzeug steigen, eine neue Stadt, ihre Atmosphäre, ihre Menschen entdecken, das wäre so eine Möglichkeit. Es fehlt mir.Ich konzentriere mich wieder auf die Musik. Das Saxofon setzt ein, Sehnsucht packt mich und ich stelle mir vor, wie ich durch die Straßen von New York schlendere. Um mich herum pulsierendes Leben. Klaviersolo, meine Gedanken fließen weiter. Der Central Park, ein sonniger Nachmittag, im Vorbeigehen werfen die Blätter der Bäume flackernd ihre Schatten auf die Wege. Dann ein ruhiger Moment, Klavier und Schlagzeug verstummen, ich schließe die Augen und höre dem Kontrabass weiter zu. In Gedanken bin ich immer noch im Park, mache eine kurze Pause, setze mich auf eine Bank. Ich schaue den Passanten zu, eine Mutter und ihr Kind, ein Jogger, ein alter Mann mit Hut. Die Geräusche der Stadt verstummen, treten und in den Hintergrund. Der Ton des Kontrabass kommt mir plötzlich vor, wie das leise Rumpeln der U-Bahnen, das irgendwo in den Straßen weit weg durch die Luftschächte nach oben dringt.Dann wieder das Saxofon. Wieder Sehnsucht. Für einen letzten Augenblick versuche ich festzuhalten an der Melodie, dann endet der Song. Vor meinem inneren Auge stehe ich auf und mache mich auf den Rückweg zum Hotel. Der Traum ist zu Ende. Inhaltlich verweist der Albumtitel „Möglichkeiten“ natürlich auch auf die musikalische Ebene: Gemeinsam haben Stephan Völker (Saxofon), Ulrich Bareiss (Piano), Florian Schwappacher (Schlagzeug) und Christian Spahn (Kontrabass) die Corona-bedingte Auftrittspause im vergangenen Jahr zur Bandgründung genutzt. Unter dem Namen „jazzed:up“ loten sie - solo und im Zusammenspiel - musikalisch neue Möglichkeiten aus. Grundlage sind gemeinsame Klangvorstellungen und einfühlsame Interaktionen der Bandmitglieder. Die Begeisterung und den Spirit ihrer Konzertpremiere auf dem Schweizer Jazzfestival „Brienz meets Montreux“ im August 2020 nahmen sie für ihr Debütalbum mit ins Studio. Entstanden sind beeindruckende Aufnahmen voll überraschender musikalischer Momente. Im Mittelpunkt stehen eigene Kompositionen der Bandmitglieder. Daneben enthält „Möglichkeiten“ neu arrangierte Jazz-Klassiker von Herbie Hancock („Dolphin Dance“) und Horace Silver („Peace“). „Mi manchi tu“ ist die Neuinterpretation einer anrührenden Erinnerung des Bandleaders Stephan Völker an seinen verstorbenen Vater. Es gibt Musikalben, die einen vom ersten Ton an fesseln. Das Debütalbum von „jazzed:up“ gehört definitiv dazu. Es entführt in wunderbare Klangwelten und vertreibt die Lethargie trüber Homeoffice-Tage. Eindrucksvoll bewegen sich die vier Ausnahmemusiker dabei im Modern Jazz mit viel Raum für spannende Improvisationen.
Aufnahme: Klaus Endel, www.soundmore.de
Produzent: Stephan Völker,
Jazzmusiker, Saxofonist,
Komponist und Kulturpreisträger der Stadt Rüsselsheim, www.stephan-voelker.de
Vertrieb: mail@stephan-voelker.de
Format: CD
Tracks: 10
Laufzeit: 58:26 Minuten
Genre: Modern Jazz
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen